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Mo., 03.November 2025 – Halloween, Nichtenspaß, Escaperoom

Das lange Wochenende war gut durchgeplant. In unserem Dorf gibt es eine Halloween-Tradition, die wohl schon bis in die DDR-Zeit zurück reicht. Da wohnten wir aber noch nicht hier. Damals war das wohl auch eine Art des Protests, diese westliche Tradition zu feiern. Gleichzeitig war diese Tradition für den Staat nicht problematisch genug, sie zu verbieten. So bereiten sich bis zum heutigen Tage viele Höfe im Dorf richtig groß auf Halloween vor. Es gibt ausufernde Dekobauwerke und Kinder werden freudig erwartet, um sie dann gepflegt zu erschrecken. Das braucht sich alles nicht vor den USA zu verstecken und macht Spaß, weil es nette Gespräche am Gartenzaun und auf dem Weg gibt, die gemeinschaftsbildend sind und man auch selbst ziemlich betrunken wieder zu Hause ankommt, wenn man mit seinen Kindern los zieht.
Wir schmissen auch eine Hofparty und zogen mit unseren Kindern rum. Die trafen dann aber Freunde und zogen mit denen alleine weiter. So waren es irgendwann nur noch sechs Erwachsene und zwei Kindergäste, die da rumzogen und weil man ständig Leute trifft, verlor auch ich irgendwann meine Reisegruppe und landete am Sportplatz auf der wohl größten Party im Dorf. Es gab Helles vom Fass, eine nette Physiotherapeutin hatte sich in ein hautenges Jokerkostüm gesteckt und überhaupt war es hier irgendwie lustig und schön. Irgendwann sah ich aber ein, dass ich mal wieder zur Familie schauen muss und brachte dort unsere Party mit ausreichend Restwürde über die Runden.

Da wir am nächsten Tag alle müde waren und besonders lange im Bett blieben, konnten wir gefühlt direkt nach dem Frühstück zu meinem Bruder nach Weimar fahren. Der Neffe hatte Geburtstag, die Ex meines Bruders und ihre Familie waren wieder in besonders guter Stimmung. Nur die Grundstimmung meines Bruders passte nicht dazu, aus verständlichen Gründen. Jedenfalls hielt ich mich aus Erwachsenengesprächen raus und bespaßte die Kinder. Meine vierjährige, sehr lustige Raketennichte fand da besonders viel Gefallen dran und wich mir nicht mehr von der Seite. Ich trug sie in allen Lagen, als Rucksack, als Handtasche und führte lustige Geheimgespräche mit ihr. Einmal, als ich sie gerade mal wieder Huckepack auf den Schultern trug, furzte sie mir herzhaft und mehrfach in den Nacken. Nachdem alle mit Lachen fertig waren, ließ ich sie zur Strafe kopfüber von der Decke hängen.
Zur Weimarer Schule gehört es auch, den Kindern keinerlei Feedback zu ihrem Verhalten zu geben. Vor allem nicht zu falschem. Das ist nicht ausschließlich gut… sage ich mal so. Es war ein sehr lauter Nachmittag, der Kopfschmerzen machte, aber mein Bruder war froh, dass wir da waren.

Auch dieser Tag führte dazu, dass wir am nächsten Morgen lange ausschliefen. Gefühlt direkt nach dem Frühstück fing ich an, die Geburtstagsgäste von Lisbeth einzusammeln. Dann fuhren wir nach Leipzig. Lisbeth hatte schon vor mehr als einem halben Jahr ihren zehnten Geburtstag, aber durch verschiedene Umstände konnten wir das mit ihren Freundinnen jetzt erst feiern. Es ging direkt ins Leipziger Zentrum zu einem Escape-Room. Thema: Zauberschule eines bebrillten Zauberers mit Narbe auf der Stirn. Schon auf der Hinfahrt merkte ich, dass die fünf Mädels eine gute Chemie und Teamdynamik haben. Sie beschäftigten sich gut selbst. In dem sehr schönen Raum setzte sich das dann fort. Die fünf stellten sich ziemlich clever an, brauchten wenige Tipps und hatten den Raum dann 9 Minuten vor der Zeit gelöst, obwohl noch keiner von denen Escape-Room-Erfahrung hatte. Es war wieder interessant, da zuzuschauen. Erst laufen alle wie die aufgescheuchten Hühner durcheinander, dann fangen sie an, sich zu organisieren, dann bekommt jeder feste Aufgaben und die Gruppe damit Struktur. Ein schönes Sozialexperiment. Zu Hause gab es dann noch Abendessen. Wir hatten noch die Freitagsdeko hängen und machten daher Halloween der Einfachheit halber zum Thema des Abendbrotes. Am Ende waren alle Kinder zufrieden, denke ich.

Heute hat Maria ihren Chefinnen erzählt, dass sie recht wahrscheinlich demnächst nicht mehr dort arbeitet. Sie nahmen es wohl professionell und auch mit Bedauern auf. Man wird sich trennen, wie es sein sollte … im Guten.


Die Siegesserie des MBC riss am Sonntag.

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Di., 28.Oktober 2025 – Geschäftigkeit und ein Lagerfeuer

Die Tage bleiben geschäftig. Es werden Excel-Tabellen erstellt. Darin Pläne, stetig wachsende ToDo-Listen und Kalkulationen. Es werden Briefe vorbereitet und Kontakte aufgenommen. Es ist eine spannende Zeit und das wird auch erstmal so bleiben. Ich mag die Lebendigkeit, die dadurch entsteht. Die Wachheit und das Nachdenken. Das Ordnen und Sortieren der Gedanken.

Trotzdem haben wir noch Töchter, also Familie. Das ist auch eine große Ungewissheit in der Kalkulation. Können wir das vereinbaren? Passt das alles zusammen? Vieles zeigt sich erst, wenn man es tut. Aber zumindest ich bin da flexibel und Realist. Das macht mich optimistisch.

Am Sonntag jedenfalls machten wir, zur Beendigung der Ferien, ein kleines Lagerfeuer mit den Töchtern. Hannah hatte darauf mal so garkeinen Bock und lag nur gelangweilt und desinteressiert im Gras, Blick Richtung Himmel. Mein kleiner Astbruchhhaufen wurde in der Feuerschale zu Asche und Marshmallows zu karamelisierter Masse zwischen zwei Keksscheiben. Maria und ich tranken einen White Russian auf die ersten Schritte, ich dann später noch ein Bier.
Als das Feuer nur noch Glut war, warf ich den Rest der Zigaretten, die ich mir in Prag gekauft hatte, dort hinein. Durch verschiedene Feiern, den Dartclub und die Aufregung hatte sich das Rauchen in den letzten Wochen wieder etwas zu markant in mein Leben geschlichen, was natürlich Quatsch ist. Das war schleunigst zu beenden, bevor wieder eine lästige Gewohnheit draus wird.
Als sie vollständig verbrannt waren, ging auch ich rein.
Der MBC bleibt einziges ungeschlagenes Team der BBL.

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Fr. 24.Oktober 2025 – Verschnitt, wichtige Post, Planetarium

Die Heimkehr aus Prag riss einen ziemlich schnell wieder in den Alltag zurück. Wie ausgemacht und versprochen verbrachte ich die ersten beiden Tage mit Gartenpflege, was erstmal hieß, den Wildwuchs, der sich in unserem doch recht großen Grundstück jedes Jahr aufs Neue bildet, massiv zurückzuschneiden. Außerdem vergriff ich mich an unseren Obstbäumen und schnitt sie so, wie ich dachte, dass man Bäume schneiden muss, damit sie mehr in die Breite als in die Höhe wachsen und damit einigermaßen in Pflückhöhe bleiben. Ich habe davon keine Ahnung, aber bis jetzt bekommen die Bäume in jedem Frühjahr neue Blätter und tragen Früchte aus. Am Pflaumenbaum fiel mir dabei ein Ast ins Auge, naja besser unters Auge, und hinterließ dort einen kleinen unschönen Cut. Danach hatte ich eigentlich keine Lust mehr, schnitt aber noch so einige enge Durchgänge in Rasenmäherbreite und meiner Kopfhöhe frei. Es nervt mich immer, beim Rasenmähen durch Äste kriechen zu müssen.

Als wir nach Prag den Briefkasten aufmachten, wartete einige wichtige Post auf uns, die zwar in Summe erfreulich war, uns aber auch vor einige als schwer bzw. erst im Nachhinein als „richtig“ oder „falsch“ zu bezeichnende Entscheidungen stellte.
Egal, wie wir uns entscheiden, werden die nächsten Wochen und Monate ereignis- und arbeitsreich werden, denn am Ende soll eine Selbständigkeit von Maria stehen. Ich freu mich da drauf, denn ich werde sie einerseits unterstützen können und andererseits auch selbst viel Neues auf dem Weg dorthin lernen. Heute schauten wir schon mal mögliche Geschäftsräume an und hatten gleich einen Glückstreffer dabei, wie es aussieht. Läuft bis hierhin…

Heute wurden wir von Annes Mutter gefragt, ob wir mit ins Planetarium nach Halle kommen wollen. Anne ist eine Freundin von Lisbeth und wir wollten, denn wir haben ja trotz aller Aufregung auch noch einen Erziehungsauftrag.
Wir fuhren dann auch selbst und sammelten die beiden mit ein. Es ging in der Show um Polarlichter. Das sah nicht nur gut aus in der Planetariumskuppel, sondern war auch sehr lehrreich. Eine leichte Nackenstarre gab es für lau ebenso dazu, wie einen virtuellen Blick in den heutigen Abendhimmel.
Das fand ich sehr sehr schön gemacht und war auch noch deutlich günstiger als ein Kinobesuch. Ich kann einen Planetariumsbesuch Eltern mit Kindern daher nur wärmstens empfehlen.
Im Anschluss gab es Burger bei „Hans im Glück“, ich wurde zu Hause von meinem Hausarzt versetzt und baute stattdessen Teile an mein Motorrad, das ich leider auch bald schon wieder einwintern muss.

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Mo.,Die., 20./21.Oktober 2025 – Der dritte Tag in Prag und Heimreise

Die Rezeption unseres Hotels überschüttete uns mit weiteren Wiedergutmachungen. Als wir Sonntagabend im Zimmer ankamen, warteten zwei neue Flaschen Wein auf uns, ohne das wir die alten angerührt hätten. Dazu stand ein großer Teller frisch aufgeschnittenes Obst unter Folie auf dem Tisch. Am Montag dasselbe Schauspiel, plus ein handgeschriebenes Kärtchen und eine Papiertüte mit einem 50,-€-Rabattgutschein für den nächsten Aufenthalt, einen Prag-Kühlschrank-Magneten und ähnliche Gimmicks.
Das war, als wir kurz zum Ausruhen für eine Stunde im Hotel kamen. Ich war kurz davor, runterzugehen und darum zu flehen, dass wir doch jetzt endlich quit sind. Wie auch immer, Hotel Merkur in Prag. Offensichtlich ausschließlich von sehr jungen, sehr netten Menschen am Laufen gehalten. Kann ich empfehlen. Liegt günstig, ist preislich okay, hat einen eigenen Parkplatz. Könnte mir vorstellen, dass wir den Gutschein in diesem Hotel einlösen. Doch gut nun.

Nach spätem Frühstück wollen wir heute eigentlich nur auf die Burg. Dazu nutzen wir erstmals den ÖPNV. 40 Minuten kosten den Erwachsenen umgerechnet ungefähr 1,60€, Kinder zahlen nix. Wir sollen zuerst in einen Bus, der sehr klein ist. Direkt nach dem Setzen werden wir von einem Fahrkartenkontrolleur angesprochen. Wie sich herausstellt, befinden sich in dem engen Bus zwei Kontrolleure und zwölf Fahrgäste. Aber egal, ich hatte zwei Karten in der App. Irgendwo geht es dann mit Straßenbahn weiter und wir steigen vor dem Tor der Burg aus. Dort ist gerade Wachablösung und es hat sich eine Menschentraube gesammelt, die das filmt. Da war ich dabei.
Als das überstanden war, bahnen wir uns den Weg durch Schulklassen aus aller Herren Länder und andere Menschentrauben mit schlechtem Gefühl für Zeit und Raum. Wir erfahren, dass unsere Prague-Card nicht für die Eintrittskarte gilt, die wir uns heute kaufen wollen, aber 35,-€ für die Familie sind trotzdem ein fairer Tarif. Zuerst zieht es uns in den Veitsdom, dass imposanteste Gebäude im größten geschlossenen Burgkomplex der Welt. Prachtvoll ausgestattet ist auch er ein gutes Beispiel dafür, dass das beste Kunsthandwerk auch in vergangenen Epochen immer dort zu finden war, wo das Geld steckte… also in Palästen und Kirchenbauten.
Ich kann das durchaus beeindruckend finden, obgleich ich keinem Glauben anhänge. Heute fing ich jedoch recht schnell an, langsam genervt zu sein. Im Mittelschiff wurde gebaut und so schlängelte sich eine ständig stockende Menschenschlange von Eingang zu Ausgang um das Mittelschiff herum. Stehenbleiben, innehalten oder gar die Ruhe der Kirche genießen, war hier keine Option.
Als wir vom Sog der Massen vorangeschoben hinten am Ausgang wieder rausfielen, hatte ich eigentlich schon keine Lust mehr. Das wiederholte sich dann in ähnlicher Form in der Basilika aus dem 10.Jahrhundert. Zu Beginn des Goldenen Gäßchens gingen wir dann in eine Ausstellung von Ritterrüstungen. Dort spürte ich dann irgendwann Hitze in mir aufsteigen und musste irgendwann raus. Die Prager Burg ist für alle, die gerne in winzigen Trippelschritten durch zu enge und niedrige Gänge halb Europa hinterherlaufen jedenfalls ein perfekter Ort. Für mich ist sowas jedoch Folter. Ich wollte eigentlich nur noch draußen und dann auch nur noch an Orten sein, in denen ich Platz hatte. Die goldene Gasse ist dafür nur bedingt geeignet, aber als Gebäudeensemble wenigstens einigermaßen possierlich. In der Nummer 22 wohnte kurz mal Kafka.
Meiner Familie war nun nach Pause zumute, weswegen sie eines der vielen Cafes ansteuerten. Ich steuerte in der Zwischenzeit den Aussichtsturm des Veitsdoms an und fand Königspalast und Vorplatz. Dort war Platz und dort sah man die schönere Seite des Doms.
Der Aufstieg zur Aussichtplattform kostete mich weitere 8,-€ und eine mittelschwere Übersäuerung der Wadenmuskulatur. Ich glaube, so viele Treppenstufen mit ungünstigem Schrittmaß bin ich noch nie hochgelaufen. Oben hatte ich einen Drehwurm und leichten Kreislauf. Hier kommt jetzt die Stelle, wo ich schreibe, dass die Aussicht dafür aber allemal entschädigt hat… und das hat sie wirklich. Prag ist auch von oben schön.

Im Anschluss holte ich meine Familie aus dem Cafe und zeigte ihnen den Palastvorplatz. In den Palast wollten wir eigentlich auch rein, aber aufgrund umfangreicher Baumaßnahmen konnten wir nur so eine Art riesigen gotischen Vladislavsaal besichtigen. Schade, aber eigentlich auch nicht schlimm. Die Töchter wurden langsam ningeliger als ich. So machten wir uns langsam auf den Weg ins Tal, ließen noch etwas Geld bei einem Imbiss und setzten uns in eine kleine Parkanlage.

Dort entschlossen wir uns dazu, mit der Straßenbahnlinie 22 eine kleine Stadtrundfahrt zu machen. Das hatte das Internet empfohlen, da diese Linie wohl an den meisten Sehenswürdigkeiten der Stadt vorbei kommt. Wir fuhren also los und fingen nach zehn Minuten an, uns zu wundern, wie wenig Sehenswürdigkeiten man dann doch sieht. Nach fünfzehn bis zwanzig Minuten fing uns an zu dämmern, dass wir vermutlich in die falsche Richtung gefahren sind. Auch nach dreißig Minuten gingen wir immer noch davon aus, dass das ja eine Ringbahn sein müsse und sie irgendwann schon wieder in die Innenstadt fahren würde. Wir blieben stur sitzen. Die Outskirts von Prag wurden immer grauer und je weiter wir vom Zentrum wegfuhren, umso weniger Anzüge und Kleidchen trugen die Mitfahrer im Schnitt und umso mehr Härte und gelebtes Leben war in den Gesichtern. In den öffentlichen Verkehrsmitteln lernt man die Menschen einer Stadt am besten kennen. Uns half das aber alles nicht weiter. Wir kamen irgendwann an der Endstation an, wurden vom Zugführer gebeten, auszusteigen und stiegen in eine neue Bahn, die in die Gegenrichtung fuhr. Nach Sightseeing war aber nicht mehr zumute, als kürzten wir das mit einem Umstieg ab und fuhren direkt vor unser Hotel.
Insgesamt lief das alles eher durchwachsen heute.

Das konnte dann nur der Abend retten und das tat er auch. Wir suchten via Google ein koreanisches Restaurant aus, das ein echter Glücksgriff war. Im Gastraum saß ein hoher Anteil Gäste mit asiatischen Gesichtern und seit London wissen wir, dass das immer ein gutes Zeichen ist. Der Service war erstklassig und das Essen hat unserem kontinental-kulinarischen Begriff „asiatisch“ nochmal eine völlig neue Nuance hinzugefügt. Das war gut. Im Anschluss wollten wir uns würdig von der Innenstadt verabschieden und bummelten dort noch ein bißchen lang. Abends verändert sich Prag und man trifft fast nur noch Leute, die auf Unterhaltung aus sind. Lisbeth fand in einem Souvenirshop eine kastenförmige Katze, die mit Hilfe von Meta AI „Oreo“ tauften.
Es gab schicke angestrahlte Gebäude, Straßenmusik und auf einem großen Platz auch eine Tänzerin. Wir alberten mit den Töchtern rum, ließen uns Zeit und hatten am Ende den Touristenoverkill vom Vormittag schon fast wieder vergessen. So konnten wir den Kurztrip enden lassen.


Eine gut durchschlafene Nacht und ein gutes Frühstück später waren wir bereit für den Heimweg. Der lief, abgesehen von einem halbstündigen Stau an der Grenze, ereignislos ab. Am Wegesrand fielen links und rechts die Blätter. Als Fazit bleibt, dass wir Prag mögen und sicher mal wiederkommen. Weniger wegen der touristischen Ziele, aber gerne, wegen dem Flair der Stadt. Es werden sich problemlos interessante Ziele finden lassen, die einen nicht ganz so überfordern.

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So., 19.Oktober 2025 – Der zweite Tag in Prag

Der Tag beginnt mit einem wirklich tollen Frühstück im Hotel Merkur. Nach dem Frühstück steht der Umzug in unser richtiges Zimmer an. Der junge Mann, der mir die Mitteilung an den Tisch bringt, an dem ich gerade die gestrigen Memoiren schreibe, dass unser Zimmer nun bereit wäre, verquatscht sich ziemlich fatal. Die Leute hätten schon ausgecheckt und unser Zimmer wäre jetzt gereinigt. Das passt nicht so richtig zu der Geschichte vom kaputten Rohr, sondern eher zu einer Doppelbuchung. In dem Moment, wo er es sagt, friert ihm deswegen auch kurz das Gesicht ein. Das sehr junge Personal ist fortan noch freundlicher, als am Vortag. Es ist nun schon fast unerträglich. Das neue Zimmer ist viel schöner und moderner, andererseits sind die Matratzen der Betten deutlich unbequemer, als in unserem „Notlager“. Ich weiß daher nicht, welches Zimmer ich nun besser fand.

Wir kommen durch die ganzen Umstände recht spät aus unserem Hotel. Das erste Ziel, welches wir ansteuern, ist das „Museum der phantastischen Illusionen“. Man muss die Töchter ja auch ein wenig bei Laune halten, dieses Museum verspricht, dies leisten zu können und hält dieses Versprechen auch. Optische Täuschungen wechseln sich ab mit Bildern, in die man sich einbauen kann und frühen Apparaten, die die Trägheit des menschlichen Auges nutzen. Laterna Magica usw. Da haben wir eine gute Stunde verbracht und viele Fotos geschossen.

Auf dem Weg dorthin fielen mir, wie schon am Vortag, einige Hausfassaden und Inneneinrichtungen von Cafes und Restaurants auf. Ich Google und lerne Dinge über den tschechischen Kubismus, eine lokale Sonderform des Kubismus. Mich erinnerte das sehr an Jugendstil oder Art Nouveau. Ich habe aber auch keine Ahnung, aber auf alle Fälle mag ich diesen Stil sehr.

Wir liefen vom Museum weg zu unserem nächsten Ziel, trafen aber zunächst auf eine „Cinnamood“-Filiale, die es (selbstverständlich) auch hier gibt und die meine Familie (selbstverständlich) nicht unbesucht hinter sich lassen kann. Ich warte, wie so oft, geduldig vor dem Geschäft. Unweit der Cinnamood-Filiale finden wir den rotierenden Kafka-Kopf, ein Kunstwerk von David Černý. Während ich drauf warte, dass der endlich rotiert, ist meine Familie Zimtschnecken.

Der weitere Weg führt uns dann wieder auf die Karslbrücke. Die ist etwas leerer als am Vortag, aber immer noch voll genug. Straßenmusiker sorgen für gute Stimmung, Maria wird von einer Ohrringverkäuferin derart mit Schleim überzogen, dass sie kaum anders kann, als schon wieder Ohrringe zu kaufen, dann können wir endlich weiter.
Unweit der Brücke finden wir zufällig die mit 70cm Breite schmalste Gasse der Welt und nutzen die dortige Ampelregelung um je einmal runter- und wieder hochzulaufen.

Dann kommen wir zu einem Ziel, auf das ich mich besonders gefreut habe. Das Kafka-Museum. Maria bleibt mit den Töchtern freiwillig vor der Tür, um einen kleinen Snack zu essen, was zu trinken und sich in der Sonne von den doch recht langen Laufwegen zu erholen. Ich geh also alleine rein.
Wie wohl jeder gute sensible Jugendliche, der Probleme mit der Zugehörigkeit in dieser Welt hat und seine Umwelt hauptsächlich als absurd erlebt, war auch ich sehr stark an Kafkas Werk interessiert. So richtig verstanden habe ich ihn allerdings erst, als ich nach Schule, Ausbildung und Studium anfing, im Büro zu arbeiten. Das Grundgefühl der Jugend verlässt einen wohl nicht so leicht, sondern wird nur immer wieder bestätigt. Mit dem Alter schafft man es bestenfalls, ein wenig ironischen Abstand und anderweitigen Umgang damit zu entwickeln.
Die Ausstellung im Museum selbst wird Auto und Werk sehr gut gerecht, würde ich sagen. Sie ist allerdings sehr textlastig und mit vielen papiernen Schaustücken versehen. Von daher ist sie Familien mit Kindern nicht wirklich zu empfehlen. Es wird sowohl eingegangen auf das Aufwachsen des kleinen Franz im historischen Prag und im Spannungsfeld seiner Familie, als auch auf die Zerissenheit Kafkas in der Auseinandersetzung mit sich selbst und seinem Werk. Auch sein beschönigend als schwierig zu bezeichnendes Verhältnis zu seinen Frauenbeziehungen wird natürlich thematisiert. Die Schaukästen sind im Kontext der jeweiligen Werke gestaltet und werden von einigen Installationen und Videoschaustücken aufgelockert. Mir hat es gefallen.

Als ich nach Besuch des Museums bei meiner Familie am Tisch eintreffe, bestelle ich mir erstmal ein großes Bier. Der Kellner teilt mir mit, dass ein großes Bier in seinem Lokal ein 0,4 Liter-Bier in Kombination mit einem „Becherovka“ sei und geht, ohne meine Reaktion abzuwarten wieder. Er kommt recht bald mit einem Bier und einem Schnaps wieder, sagt: »Becherovka kaputt!« und stellt mit ein Bier und einen Slivovitz hin. Kafkaes, aber auf eine gute Art.

Nach der langen Ausruhpause entschließen wir uns, über das laute Veto der Töchter hinweg, am Ufer der Moldau entlang mit einem kleinen Umweg zurück zum Hotel zu laufen. Das war schön. Wir trafen seltene und weniger seltene Enten, verrückte Taubenfrauen und schöne ruhige Passagen. Entlang der Mosel gab es in diesem Abschnitt auch viele Restaurant-, Disco- und Barboote, die dort angelegt hatten. Wären wir abends nicht immer so müde, wäre das was für die Abendgestaltung gewesen.

Zurück im Hotel verlieren wir etwas die Zeit. Maria und Lisbeth schlafen ein, wir anderen beiden lesen. So ist es schon nach sieben, als wir uns auf die Suche nach einem Abendessen begeben. Wir gehen etwas abseits der Innenstadt in ein Restaurant für asiatische Fusionsküche und haben damit sehr viel Glück. Sowohl geschmacklich, als auch preislich war das sehr sehr gut gelungen. Alles, was wir bestellten, war total gelungen.

Nach dem Essen liefen wir noch ein gutes Stück durch die Gegend. Das ist auch etwas, dass ich an solchen Kurztrips sehr genieße. Man hängt sehr eng und in einem total anderen, nicht alltäglichen Kontext mit seinen Töchtern zusammen. Dadurch kommt man zu ganz anderen, viel gelösteren Interaktionen und Gesprächen. Das bringt uns sehr viel enger zusammen, als es der Alltag je könnte.
Weil wir uns immer gut bewegt haben, geht dann aber auch immer beizeiten das letzte Licht aus im Familienzimmer.