Heute ging ich hundemüde auf Arbeit. Die Sitzung am Vorabend ließ mich erst gegen 23:00 Uhr im Bett ankommen, wo dann Maria noch wach war und las. Wir haben uns dann noch gut eine halbe Stunde unterhalten und unseren Alltag geplant.
Am Morgen war ich dann besonders müde, was dann auch immer dazu führt, dass ich die Kälte auf dem Rad unangenehmer empfinde. Ich kam ziemlich unwirsch auf Arbeit an und nahm mir vor, mich von Leuten fernzuhalten, was hervorragend ging, da ich noch einiges wegzuschreiben hatte. Gegen eins verabschiedete ich mich mit »Tschüss, ich geh jetzt schlafen“ und verließ das Büro.
Nach ein paar Metern rief mich Hannah an, dass bei ihr eine Stunde ausfallen täte und ob ich sie, Tobi und Roman aus der Schule abholen könnte, weil kein Bus fährt. Also hatte sich der Mittagsschlaf erledigt. Ich raste, so schnell ich konnte, den Berg hoch ins Dorf, schnappte mir das Auto und holte Hannah und ihre Fußballkumpels ab. Ich freu mich immer über deren Fußballerfrisuren, also so aufgeplusterte Dauerwellenponys und solche Dinge. Sind aber okaye Jungs.
Wir warfen uns noch kurz was hinter die Kiemen, dann brachte ich Hannah zu ihrer italienischen Klavierlehrerin, fuhr auf den Baumarkt und kaufte Material, um Lisbeths Regal wieder (und besser) anbringen zu können, welches Mittwoch mit Tonnen von Malmaterial, gesammelten Steinen und Muscheln beladen ohne Vorwarnung nach unten krachte. Lisbeth war sehr geknickt. Dagegen galt es was zu tun. Schaffte es kaum rechtzeitig zurück zur Musikschule, denn das Auto sprang zwischendurch auf Reserve und wollte betankt werden. Auf halber Strecke noch Lisbeth eingesackt, dann war der Nachmittag soweit auch ganz gut gefüllt. Fiel auf dem Sofa in einen 20minütigen Powernapp der richtig gut was brachte im Hinblick auf die Abendplanung.
Da hatten wir uns nämlich mit einem Teil unserer Schlachtegesellschaft nur deswegen verabredet, weil in der „Leipziger Pfeffermühle“ ein Stück gezeigt wurde, das das Wort „Schwein“ im Titel trug. Also klappte ich direkt nach meinem Powernapp einen der Notsitze im Kofferraum auf und sammelte die ganze Reisegruppe ein. Drei Paare, einer davon mit gebrochenem und daher frisch genageltem Mittelfuß.
Vor der Kultur sollte es Abendessen geben, welches wir im „Café Madrid“ zu uns nahmen. Aus allgemeiner Ratlosigkeit überließen wir die Entscheidung dem Kellner und beauftragten ihn, uns eine gelungene Auswahl an 30 unterschiedlichen Tapas an den Tisch zu bringen. Machte er gut und das war das Ergebnis:
Ich hielt mich an die vegetarischen Schälchen, so war mehr Fleisch für die anderen übrig. Wir hatten Zeit und ließen die uns auch. Das gab dann ein definitiv gelungenes Abendessen mit heiteren Gesprächen und dabei hätten wir es auch belassen sollen. Am Ende teilten wir die Rechnung einfach durch drei.
Doch stattdessen gingen wir ins Kabarett, wo ein Duo namens „Ranz und May“ ein Gastspiel mit dem Titel „Das Schwein bestimmt das Bewußtsein“ gab. Das „ß“ ist hier sehr wahrscheinlich kein Schreibfehler, sondern die Weigerung, die neue Rechtschreibung zu akzeptieren und der Aufdruck auf dem Tourplakat („Prädikat umstritten“) ist noch geschmeichelt. Aber das wusste ich da noch nicht.
Ich will eigentlich garnicht so viel drüber schreiben, weil ich mich dann nur wieder ärgere, aber ein bisschen erklären muss man es ja dann doch. Es entspann sich ein rechtskonservatives Kabarettprogramm, dass kaum was an Einseitigkeiten ausließ: Genderbashing, Grünenbashing, Burkabashing, Coronarelativierung, Klimakrisenverharmlosereien. Alles war dabei, was man erwarten kann, wenn alte weiße Männer Humor für ein altes weißes Publikum machen.
Dabei wurden billigste 0815-Humorstrickmuster genutzt (Ricarda Lang ist dick – hahaha, die heutige Jugend ist dumm – hahaha, alles ist nur noch im Suff zu ertragen – hahaha, klischeehafteste Darstellung eines Schwulen – hahaha) oder einfach Witze aus dem Internet geklaut und das waren dann noch die, die am besten funktionierten. Dazwischen ein paar dümmliche Lieder, z.B. ein Burka-Song, dargeboten in Burkas. So sparen sie sich immerhin 12% Umsatzsteuer. Zwischendurch feiern sie den Konservativismus, nicht merkend, dass weite Teile ihres Programms, nichts mit Konservatismus zu tun haben, sondern an den Grenzen des Grundgesetzes kratzen und die des guten Geschmacks oder angemessenen Kabarett-Niveaus reißen. Der sehr lange und teilweise verjährte Corona-Part („Husten, wir haben ein Problem“) lässt vermuten, dass das Programm auch nicht mehr das taufrischeste war. Das anwesende Publikum johlte überwiegend trotzdem und dem ein oder anderen merkte man an, dass die Scherze ruhig noch ein wenig heftiger hätten ausfallen dürfen.
Positiv kann man nur das reine Handwerk der beiden vermerken und die Tatsache, dass die Brandmauer zur ganz ganz schlimmen Schiene weitgehend hielt.
Ich war jedenfalls stinkesauer, als ich da endlich wieder rauskonnte und wollte nur noch nach Hause. Ich rate jedem, der sich für fakten- und vernunftbasiertes gesellschaftliches Miteinander interessiert davon ab, sich das zu geben.