Auf Arbeit war es heute sehr sehr einsam im engeren Team. Wir sind da vier Leute. Eine Kollegin ist im Winterurlaub, eine Kollegin hat Bandscheibe mit Lähmungen im Gehapparat und wird bis auf Weiteres nicht mehr erscheinen, ein Kollege kam nicht aus dem Urlaub wieder, da virusbehaftet. So war es heute ziemlich einsam im Büro. Ich wurde aber oft besucht und angerufen, sodass ich von der Einsamkeit kaum was mitbekam.
Am Nachmittag erhielt ich einen teilunterschriebenen Schenkungsvertrag, der meinem Verein kostenlos zu einer halben Bühne verhilft. Diesen stellte ich bei Whatsapp ein, damit jeder nochmal drüberschauen kann. Alle freuten sich über dieses Monster von einem Satz:
„Der Schenkende und der Beschenkte sind sich darüber einig und damit einverstanden, dass der Beschenkte von dem Schenkenden unentgeltlich folgendes Schenkungsobjekt übertragen bekommt:“
Spontan vereinbarten wir, die Wörter Schenkende und Beschenkte durch „Schankende“ und „Beschankte“ auszutauschen und nach dem Doppelpunkt „1 Bier“ zu schreiben. So soll es in Zukunft immer an unserem Bierwagen hängen, wenn wir unser kleines Flatrate-Festival durchführen.
Ansonsten gab es nichts zu bemängeln, also kann der Container geliefert werden.
Als ich heute mit dem Rad nach Hause fuhr, musste es wieder schnell gehen, da ich spät weg kam und Lisbeth zu ihrem Kindernähkurs in die VHS wollte, um ihre Stulpen fertig zu nähen. So vergaß ich, bei unserem Lieblingsbäcker zu halten und war säumig in meiner Pflicht, die Familie mit Brot und Brötchen zu versorgen.
Auf dem Rückweg von der VHS hielt ich daher im „nah&gut“ der aus DDR-Zeiten stammenden Plattenbausiedlung, um schnell ein paar Discounterbackwaren mitzunehmen. Hierzu muss man wissen, dass diese Stadt hier einen für ostdeutsche Verhältnisse ungewöhnlich hohen Migrationsanteil von um die zwölf Prozent hat. Viele der mit Aufenthaltsstatus versehenen Migranten wohnen dann natürlich dort, wo die Miete günstig ist und das ist u.a. in ehemaligen DDR-Plattenbausiedlungen der Fall. Dort wohnen aber dummerweise auch die Bevölkerungsanteile, die besonders hochprozentig für die AfD stimmen und so ist es im „nah&gut“ immer etwas heikel. Auf den Gängen wird gern mal gerempelt oder es werden Sprüche getauscht, die lilahaarigen, beleibten Kassiererinnen sind nicht immer besonders nett und geduldig mit der schlecht deutsch sprechenden Kundschaft, die sich (so zumindest deren Annahme) vom Bürgergeld gerade z.B. Bier kauft.
Heute war hier aber was entscheidend anders. Es waren zwei Kassen geöffnet. An einer arbeitete eine beleibte Deutsche mit den oben angesprochenen, am Kopf klebenden lila Haaren mürrisch, aber teutonisch-schnell ihre Kassenschlange ab.
An der anderen Kasse arbeitete ein junges, vielleicht so zwanzigjähriges Mädchen, aber ganz anders. Sie ließ sich Zeit, fing mit jedem Kunden einen netten kleinen Plausch an und lachte dabei ständig fröhlich. Kam ein deutscher Kunde, sprach sie bestes Deutsch (bzw. Sächsisch), kam eine Mutter mit Hidschab, machte sie auf arabisch Späße mit deren beiden Jungs. Über dieser Kasse schien die Sonne und das übertrug sich auch auf die traditionell triste Warteschlange. Ich musste mich aus Prinzip dort anstellen, auch wenn der Einkauf ungleich länger dauerte. Bestimmt geht Umdenken ja mit solch banalen Begegnungen und mehr davon im Alltag, vallah. Aber ich bin vermutlich gerade wieder zu optimistisch…