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22.März 2025 – Spontan im Mittelalter

Der Tag begann wenig schön, weil der Whisky noch im Frontallappen brutzelte.
Ich ging zum Frühstück, danach bat ich um Verständnis, dass ich nochmal in die Waagerechte muss, dann wurden daraus zwei Stunden. Ein bißchen peinlich.
In der Zwischenzeit hatten uns die Eltern von Anna, dass ist eine der besten Freundinnen von Lisbeth, gefragt, ob wir Lust hätten, mit nach Leipzig auf einen Mittelaltermarkt zu gehen. Hatten wir dann auch.

Mittelaltermärkte sind ja so eine Sache. Im Grunde reicht es einen zu besuchen, weil man dann alle kennt. Wenn man selber mitmacht, kann das aber ziemlich lustig sein. Mein Verein geht zum Stadtfest immer als Bauerngesellschaft bzw. Jagdtreiber aus dem Mittelalter mit und dann verbringen wir bequem verkleidet einen schönen Nachmittag auf dem Mittelaltermarkt. Die Eltern von Anna wiederum machen das regelmäßig, also das Verbringen von Freizeit auf Mittelaltermärkten und sind dementsprechend perfekt eingekleidet.
Was ich nun am Samstag lernte, war, dass es komplette Einrichtungshäuser für Leute wie Annas Eltern gibt und das fand ich ziemlich faszinierend. Der Mittelaltermarkt wurde nämlich von Mytholon, einem Mittelalter- und LARP-Einrichtungskaufhaus veranstaltet. Das ist wohl für die Leipziger Szene, die dank dem WGT nicht so klein sein dürfte, sowas wie der jährliche Saisonauftakt.

So trug es sich zu, dass die Leute mit normaler Kleidung aus dem 21.Jhd. in der absoluten Minderheit waren und einem dort jede Menge Ritter, Bauern, Kelten, Faune, Elfen und andere derartig verkleidete Menschen über den Weg liefen. Ich kam mir nach wenigen Sekunden total underdressed vor. Das war schon lustig und gut zu beobachten.
Wir liefen am Anfang durch die Einkaufbereiche, wo man viel schlichte Kleidung aus Leinen fand, aber auch komplette Ritterrüstungen käuflich zu erwerben waren. Dazu sämtliches Zubehör an Taschen, Gürteln, Armbändern, Schmuck und ähnlichem. Besonders angetan hatten es mir die Messer, die wirklich so aussahen, als wären sie grob von mittelalterlichem Feuer geschmiedet worden. Mit Griffen aus Horn und Holz und preislich akzeptabel. Mein kleines Messerfaible war absolut geweckt. Letztlich hielt mich nur der Hinweis eines Passanten davon ab, zuzuschlagen. Auf die meisten Mittelaltermärkte kommt man nämlich erstaunlicherweise mit Messer gar nicht drauf, weil die meisten den Bestimmungen des kleinen Waffenscheins unterliegen und überhaupt: mit Messern war doch da in letzter Zeit immer was. Nun habe ich also kein Mittelaltermesser.

Für die Kinder war der Markt großartig. Auf der kleinen Bühne spielte eine kleine Mittelalterdudelsackkombo, dessen Trommler eine Hand fehlte und der stattdessen auf seinem Stumpf mit einer Lederkappe einen Trommelstock befestigt hatte. Das fand ich wunderbar authentisch. Die Mädels jedenfalls gerieten in die absolute Tanzwut und konnten nicht mehr damit stoppen. Es gab Crepes und Knoblauchhandbrote und was zu trinken. Was mir auf Mittelaltermärkten immer auffällt, ist die ungewöhnlich hohe Dichte an rothaarigen Frauen. Entweder ist das nur anektodisches Erleben oder an dieser Hexensache ist doch was dran. Was weiß ich. Als es dunkel wurde, wurde es dann auch kalt und wir machten uns wieder auf den Heimweg. War ein netter Nachmittag. Schön, dass es für jeden die passende Parallelwelt gibt, in die er escapen kann.

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