Wenn meine Frau fragt: »Wollen wir heute mal irgendwo hinfahren?« sage ich nicht mehr müde »Hmmeeeh« oder »Ich muss mich heute mal ausruhen« sondern »Klar, es ist schönes Wetter. Wir müssen raus an die Luft«. Kann nicht sagen, woran das liegt, ob mir die Ruhe gut tut oder das Medikament. Den Tabletten hatte ich eine ganze Weile abgesprochen, überhaupt zu wirken, aber inzwischen glaube ich doch, dass da was geht und sie so nach und nach etwas rauskitzeln, um deren kleinsten Fitz ich sonst immer bei mir selbst betteln musste, nämlich Antrieb. Unglaublich anstrengend war das immer, doch nun kommt das von selbst. Wie in meinen besten Zeiten, oft sogar in Verbindung mit Vorfreude und Spaß. Ich begrüße das ausdrücklich!
Jedenfalls hatte ich schnell ein Ziel gefunden, dass ich schon immer mal ins Auge gefasst hatte, aber immer wieder verwarf, weil es mir blödsinnig erschien, fast hundert Kilometer wegen einer Burg zu fahren (s.o.). Während der Hinfahrt spielen die Töchter Autoquartett wie wir damals in den 80ern… nur ohne Sportwagen und stattdessen mit Disneybösewichten.
»Schurkenhaftigkeit 48«
»Hab ich nur 17«
So und ähnlich geht das die ganze Zeit. Später spielen sie „Sätze weiterführen«, wo man immer ein Wort an einen Satz dranhängt, bis man eine alberne Geschichte mit vielen Kommata in einen Satz gepackt hat. Die Klassiker kommen eben immer wieder.
Wir fuhren bei schönen Sonnenschein los und kamen im Nieselregen an. Das Sonnenlicht ging während der Fahrt nur kurz weg, als wir durch Mansfeld fuhren (waren sie schon mal in Mansfeld? Junge…). Auf dem offiziellen Burgparkplatz kratzte ich mühsam die 3€ Kleingeld für das Tagesticket zusammen, nur um dann im Ausgabefach des Automaten ein zwar tagesaktuell gelöstes, aber dann nicht mitgenommenes Parkticket zu finden. Nahm ich..
Wir liefen die zwei Kilometer bis zur Burg durch kahle Bäume an kleinen Tümpeln und viel Totholz vorbei, die Töchter jammerten sehr und begannen auch irgendwann, an der Existenz einer Burg zu zweifeln, doch dann war sie auf einmal in voller mittelalterlicher Fachwerkschönheit direkt vor uns, die Burg Falkenstein.
Wie ich erst dort lernte, wurden hier unter anderem Teile der großartigen Serie „Spuk unterm Riesenrad“ gedreht und auch sonst wurde und wird die Burg gerne für Film und Fernsehen genutzt. Auch das DEFA-Märchen „Schneeweißchen und Rosenrot“ entstand hier. In die rothaarige Rosenrot war ich schon als kleiner Junge immer ein bißchen verliebt und kann das auch immer noch gut verstehen, jetzt wo ich die Bilder im Burgmuseum nochmal sehe.
Maria und ich kommen überein, dass wir uns beide gut vorstellen könnten, in so einer Burg im Mittelalter gelebt zu haben, so vom Lifestyle her. Vermutlich hätten wir früher oder später Menschenrechte, Demokratie und Gesundheitswesen vermisst und auch das ewige Gebete wäre uns mit der Zeit auf den Keks gegangen, aber trotzdem… rustikales Gesindeleben stellen wir uns erstmal romantisch vor. Das ist schon eine schicke Burg, die man so beinahe unverfälscht mittelalterlich nicht oft sieht.
Als ich 16:15 Uhr sage, dass es schnell dunkel wird und wir langsam mal zurück müssen, werde ich belächelt. Als wir dann endlich aufgebrochen sind und nach zwei Regenkilometern beim Auto ankommen ist es praktisch dunkel.
Fazit: Ein schöner Tag und ich freu mich sehr darüber, das ich sowas wieder einfach so genießen kann.