
Der Tag beginnt mit einem wirklich tollen Frühstück im Hotel Merkur. Nach dem Frühstück steht der Umzug in unser richtiges Zimmer an. Der junge Mann, der mir die Mitteilung an den Tisch bringt, an dem ich gerade die gestrigen Memoiren schreibe, dass unser Zimmer nun bereit wäre, verquatscht sich ziemlich fatal. Die Leute hätten schon ausgecheckt und unser Zimmer wäre jetzt gereinigt. Das passt nicht so richtig zu der Geschichte vom kaputten Rohr, sondern eher zu einer Doppelbuchung. In dem Moment, wo er es sagt, friert ihm deswegen auch kurz das Gesicht ein. Das sehr junge Personal ist fortan noch freundlicher, als am Vortag. Es ist nun schon fast unerträglich. Das neue Zimmer ist viel schöner und moderner, andererseits sind die Matratzen der Betten deutlich unbequemer, als in unserem „Notlager“. Ich weiß daher nicht, welches Zimmer ich nun besser fand.
Wir kommen durch die ganzen Umstände recht spät aus unserem Hotel. Das erste Ziel, welches wir ansteuern, ist das „Museum der phantastischen Illusionen“. Man muss die Töchter ja auch ein wenig bei Laune halten, dieses Museum verspricht, dies leisten zu können und hält dieses Versprechen auch. Optische Täuschungen wechseln sich ab mit Bildern, in die man sich einbauen kann und frühen Apparaten, die die Trägheit des menschlichen Auges nutzen. Laterna Magica usw. Da haben wir eine gute Stunde verbracht und viele Fotos geschossen.










Auf dem Weg dorthin fielen mir, wie schon am Vortag, einige Hausfassaden und Inneneinrichtungen von Cafes und Restaurants auf. Ich Google und lerne Dinge über den tschechischen Kubismus, eine lokale Sonderform des Kubismus. Mich erinnerte das sehr an Jugendstil oder Art Nouveau. Ich habe aber auch keine Ahnung, aber auf alle Fälle mag ich diesen Stil sehr.


Wir liefen vom Museum weg zu unserem nächsten Ziel, trafen aber zunächst auf eine „Cinnamood“-Filiale, die es (selbstverständlich) auch hier gibt und die meine Familie (selbstverständlich) nicht unbesucht hinter sich lassen kann. Ich warte, wie so oft, geduldig vor dem Geschäft. Unweit der Cinnamood-Filiale finden wir den rotierenden Kafka-Kopf, ein Kunstwerk von David Černý. Während ich drauf warte, dass der endlich rotiert, ist meine Familie Zimtschnecken.
Der weitere Weg führt uns dann wieder auf die Karslbrücke. Die ist etwas leerer als am Vortag, aber immer noch voll genug. Straßenmusiker sorgen für gute Stimmung, Maria wird von einer Ohrringverkäuferin derart mit Schleim überzogen, dass sie kaum anders kann, als schon wieder Ohrringe zu kaufen, dann können wir endlich weiter.
Unweit der Brücke finden wir zufällig die mit 70cm Breite schmalste Gasse der Welt und nutzen die dortige Ampelregelung um je einmal runter- und wieder hochzulaufen.

Dann kommen wir zu einem Ziel, auf das ich mich besonders gefreut habe. Das Kafka-Museum. Maria bleibt mit den Töchtern freiwillig vor der Tür, um einen kleinen Snack zu essen, was zu trinken und sich in der Sonne von den doch recht langen Laufwegen zu erholen. Ich geh also alleine rein.
Wie wohl jeder gute sensible Jugendliche, der Probleme mit der Zugehörigkeit in dieser Welt hat und seine Umwelt hauptsächlich als absurd erlebt, war auch ich sehr stark an Kafkas Werk interessiert. So richtig verstanden habe ich ihn allerdings erst, als ich nach Schule, Ausbildung und Studium anfing, im Büro zu arbeiten. Das Grundgefühl der Jugend verlässt einen wohl nicht so leicht, sondern wird nur immer wieder bestätigt. Mit dem Alter schafft man es bestenfalls, ein wenig ironischen Abstand und anderweitigen Umgang damit zu entwickeln.
Die Ausstellung im Museum selbst wird Auto und Werk sehr gut gerecht, würde ich sagen. Sie ist allerdings sehr textlastig und mit vielen papiernen Schaustücken versehen. Von daher ist sie Familien mit Kindern nicht wirklich zu empfehlen. Es wird sowohl eingegangen auf das Aufwachsen des kleinen Franz im historischen Prag und im Spannungsfeld seiner Familie, als auch auf die Zerissenheit Kafkas in der Auseinandersetzung mit sich selbst und seinem Werk. Auch sein beschönigend als schwierig zu bezeichnendes Verhältnis zu seinen Frauenbeziehungen wird natürlich thematisiert. Die Schaukästen sind im Kontext der jeweiligen Werke gestaltet und werden von einigen Installationen und Videoschaustücken aufgelockert. Mir hat es gefallen.














Als ich nach Besuch des Museums bei meiner Familie am Tisch eintreffe, bestelle ich mir erstmal ein großes Bier. Der Kellner teilt mir mit, dass ein großes Bier in seinem Lokal ein 0,4 Liter-Bier in Kombination mit einem „Becherovka“ sei und geht, ohne meine Reaktion abzuwarten wieder. Er kommt recht bald mit einem Bier und einem Schnaps wieder, sagt: »Becherovka kaputt!« und stellt mit ein Bier und einen Slivovitz hin. Kafkaes, aber auf eine gute Art.
Nach der langen Ausruhpause entschließen wir uns, über das laute Veto der Töchter hinweg, am Ufer der Moldau entlang mit einem kleinen Umweg zurück zum Hotel zu laufen. Das war schön. Wir trafen seltene und weniger seltene Enten, verrückte Taubenfrauen und schöne ruhige Passagen. Entlang der Mosel gab es in diesem Abschnitt auch viele Restaurant-, Disco- und Barboote, die dort angelegt hatten. Wären wir abends nicht immer so müde, wäre das was für die Abendgestaltung gewesen.
Zurück im Hotel verlieren wir etwas die Zeit. Maria und Lisbeth schlafen ein, wir anderen beiden lesen. So ist es schon nach sieben, als wir uns auf die Suche nach einem Abendessen begeben. Wir gehen etwas abseits der Innenstadt in ein Restaurant für asiatische Fusionsküche und haben damit sehr viel Glück. Sowohl geschmacklich, als auch preislich war das sehr sehr gut gelungen. Alles, was wir bestellten, war total gelungen.
Nach dem Essen liefen wir noch ein gutes Stück durch die Gegend. Das ist auch etwas, dass ich an solchen Kurztrips sehr genieße. Man hängt sehr eng und in einem total anderen, nicht alltäglichen Kontext mit seinen Töchtern zusammen. Dadurch kommt man zu ganz anderen, viel gelösteren Interaktionen und Gesprächen. Das bringt uns sehr viel enger zusammen, als es der Alltag je könnte.
Weil wir uns immer gut bewegt haben, geht dann aber auch immer beizeiten das letzte Licht aus im Familienzimmer.









Einen Besuch wert ist auch der „Prager Eifelturm“ (Aussichtsturm Petřín) mit tollen Aussichten auf die Stadt und die Prager Burg.
Vielen Dank für den Hinweis! Wir sind inzwischen wieder zurück, haben uns aber noch jede Menge für den nächsten Besuch aufgehoben. Der Turm ist nun auch mit auf der Liste…