Als ich heute Morgen auf Arbeit ankomme, fragt mich mein jüngster Kollege, ob ich bei der Dürre (gemeint ist extreme Kälte) ernsthaft mit dem Fahrrad gefahren bin.
Am Nachmittag, beim Tee, muss ich meiner Chefin erklären, wie das gemeint ist, dass ich keinen Zucker mehr esse.
Ich erkläre, dass es im Prinzip immer darum geht, eine schlechte Angewohnheit gegen eine bessere zu tauschen und das mich das glücklicher und stolzer macht, als die alte Angewohnheit. Man muss die (neuen) Dinge nur so lange machen, bis man nicht mehr darüber nachdenkt, dass man es mal anders gemacht hat.
Morgens gehe ich in den Schuppen, hole das Fahrrad und fahre los, ohne einen Gedanken daran zu verlieren, dass ich ja auch das Auto nehmen könnte. Es ist eine neue Routine geworden durch schiere ständige Wiederholung und Freude über die positiven Effekte.
In einer Zeit, als es mir schlecht ging, lief mir das Buch „Der tägliche Stoiker“ über den Weg. Darin findet man für jeden Tag ein stoisches Zitat aus der Antike und eine kurze zeitgemäße Einordnung dieses Textes. Das Buch hatte eindeutig etwas zu viele „Paulo Coelho“- und Wandtattoo-Vibes für meinen Geschmack, aber ich schaute trotzdem jeden Tag rein und würde sagen, meine Sicht auf der Welt ist seither eine andere. Wer weiß, wie weit die Menschheit schon wäre, wäre der Antike nicht das Christentum mit all seinen Derivaten dazwischen gekommen. Weiter will ich das nicht ausführen, aber ich habe unter anderem keinen inneren Schweinehund mehr, seit ich dieses Buch gelesen habe. Vernunft ist ein hohes Gut im Stoizismus, genau wie Moral und Wissen. Diese Lebensphilosophie kam meinem Wesen gelegen. Ich empfehle daher, diesem Buch mal eine Chance zu geben.
Meine Ausführungen beim Tee haben jetzt jedenfalls dazu geführt, dass nun ein Kollege und eine Kollegin ab kommender Woche auch keinen Zucker mehr essen wollen. Ich influence, wo ich kann, aber nur, wenn ich danach gefragt werde…
Veränderung geht ja unabhängig von der Lebensphilosophie immer nur, indem man seine Glaubenssätze und Überzeugungen hinterfragt.