»Die Welt ist das Ergebnis dessen, wie Menschen miteinander umgehen«
»Welche Fortschritte habe ich gemacht? Ich beginne, mir ein Freund zu sein.«
»Alle Schöpfungen der Sterblichen sind zur Sterblichkeit verdammt; wir leben inmitten von Dingen, die dem Untergang geweiht sind.«
Das erste Zitat ist eine Woche alt und stammt von der Feuerschale. Die anderen beiden sind 2.000 Jahre alt und stammen von Seneca.
Ich fand sie alle passend, um ins neue Jahr zu blicken. Was ich vom neuen Jahr erwarte, liegt klar auf der Hand. Ich muss mich beruflich verändern, um wieder besser klarzukommen, etwas besser auf mich acht geben mit mehr Me-Time, etwas mehr Rückzug ins familiäre Biedermeier wagen. Aber das bin nur ich. Für den Rest der Welt wird es schon komplizierter.
Meinem Eindruck nach leben wir an der Schwelle zu einer neuen Zeit. Wenn wir den Kapitalismus weiter reiten, werden wir alle krank und gehen kaputt, wenn wir weiter in unseren ausgedachten überholten Ideologien leben und Fakten leugnen, gehen wir ebenso kaputt. Wenn wir schleunigst sachlich drüber reden, wie ein sinnvolles, tragfähiges Zusammenleben in Zukunft aussehen kann, haben wir eine Chance.
Ich finde es unheimlich überflüssig, dass CDU/CSU mir nun stattdessen schon wieder die Notwendigkeit einer Leitkultur einreden wollen und mir dann ungefragt sagen, Leitkultur, das ist „Weihnachtsbaum kaufen“ und „Feuerwerk zu Silvester machen“ (kein Witz). Die Konservativen haben mal wieder den Schuss nicht gehört, ist seit Jahrtausenden deren Kernkompetenz. Leitkultur ist in Wahrheit höchstens unser Grundgesetz. Die ersten 23 Artikel sind die besten und in deren Rahmen darf meiner Meinung nach alles stattfinden. Diese Gesellschaft kommt immer nur dann voran, wenn sie darf und wenn sich jeder, der hier wohnt möglichst frei entfalten kann.
Alles um uns rum, was nicht faktisch und wissenschaftlich belegt ist, ist nur ausgedacht, eine Ideologie, eine Geschichte, auf die wir uns geeinigt haben und damit veränderbar. Das machen wir schon seit Jahrtausenden so und entwickeln uns dabei weiter. Deswegen ist es heute kaum noch gängige Praxis, Erstgeborene in Vulkankrater zu werfen, um Götter zu besänftigen.
Oder nehmen wir z.B. den heutigen Tag. Der geht zurück auf die Geburt eines fiktiven Heilands einer von rund 2.000 verschiedenen Religionen in der Welt. Weil die Kolonialisierung und Missionierung der restlichen Welt aber von christlichen Ländern ausging, feiert heute beinahe die ganze Welt ein Neujahrsfest. Gegen einen genormten Kalender für die ganze Welt ist ja nichts einzuwenden, aber die Entstehungsgeschichte zu unserem heutigen Kalender ist Grütze. Oder nehmen wir Geld, das gefühlte Zentrum allen menschlichen Handelns in der Neuzeit. Außerhalb der Vorstellungskraft der Menschen ist es nicht existent.
Was existent ist, sind die Natur und ihre Gesetze. Es ist eigentlich ein Nobrainer, dass der Einhaltung dieser Gesetze unsere volle Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte und dann erst folgen kann, was danach noch möglich ist. Es ist auch ein Nobrainer, dass es nicht gesund sein kann, dass einzelne Personen mehr Jahresumsatz machen, als ganze Staaten, darauf aber prozentual weniger Steuern zahlen müssen als Schreinermeister Schmidt und deswegen mehr Geld haben, als gesund für sie ist. Wir lassen das alles mit uns machen, weil wir an die Erzählung glauben, dass wir davon letztlich alle profitieren. Tun wir aber nicht, denn wir verbraten unsere Lebensgrundlage und buckeln uns dafür auch noch 8-12 Stunden am Tag krumm. Wo ist da der Erfolg, frage ich mich? Stimmt da vielleicht mit der Definition von Erfolg etwas nicht!?
An solchen Dingen müssen wir arbeiten, denke ich und sollten uns immer Fragen, wessen Parolen wir da gerade nachsprechen und welche Zwecke sie damit verfolgen. Man wird dann als empathischer Mensch schnell kapieren, dass nicht die Leute das Problem sind, die mit Sozialleistungen gegen das Verrecken kämpfen, sondern die paar Hanseln, die jedes Jahr alleine hier im Land 60 bis 100 Mrd. € Steuern vermeiden, die bei denen, die gegen das Verrecken kämpfen, viel mehr bewirken könnten, flössen sie in Bildung und Möglichkeit zur Selbstentfaltung für diese Leute.
Den vielen, die im kommenden Jahr AfD wählen werden, kann ich auch nicht mehr helfen. Ihr seit stolz auf ein Fantasiegebilde, sinnlos auf die Weltkugel gedachte Linien, die 1871 aufgrund eines geopolitischen Vertrages entstanden und durch finstere Kriege mehrfach verändert wurden. Das Land, auf das ihr stolz seid, gibt es nur in eurer Fantasie und nichts wird eure Situation bessern, wenn ihr diese Partei wählt. Euch wurde übel mitgespielt im Leben, sehe ich vielleicht ein, aber Verbesserung an der Situation ist nur möglich, wenn wir unsere Verfassung wieder zum jederzeit anzustrebenden Ideal machen. Auf allen Ebenen. Durch Austausch, Einsicht der Fakten, weniger verbohrte Extrempositionen und Durchsetzungsfähigkeit des besseren Arguments. Kurz: Vernunft und Humanismus. Hört alle auf, euch selbst so verdammt wichtig zu nehmen.
Das wünsche ich mir für 2024 und die Welt. Macht es euch hübsch und die Welt so, wie ihr sie erwartet.
Für das neue Jahr möchte ich meinen Lesern zu diesem Zweck noch ein Buch empfehlen. Es heißt: „Der tägliche Stoiker“ und enthält für jeden Tag des Jahres erläuterte Sinnsprüche aus einer Zeit, als freies Denken, Erkenntnisgewinn und wissenschaftliche Entdeckung vermutlich einen höheren Wert darstellten als (gefühlt) heutzutage. Reine Wahrheiten, jeden Tag schnell gelesen und anschließend vom Autor eingeordnet. Mochte ich sehr…