Die Rezeption unseres Hotels überschüttete uns mit weiteren Wiedergutmachungen. Als wir Sonntagabend im Zimmer ankamen, warteten zwei neue Flaschen Wein auf uns, ohne das wir die alten angerührt hätten. Dazu stand ein großer Teller frisch aufgeschnittenes Obst unter Folie auf dem Tisch. Am Montag dasselbe Schauspiel, plus ein handgeschriebenes Kärtchen und eine Papiertüte mit einem 50,-€-Rabattgutschein für den nächsten Aufenthalt, einen Prag-Kühlschrank-Magneten und ähnliche Gimmicks.
Das war, als wir kurz zum Ausruhen für eine Stunde im Hotel kamen. Ich war kurz davor, runterzugehen und darum zu flehen, dass wir doch jetzt endlich quit sind. Wie auch immer, Hotel Merkur in Prag. Offensichtlich ausschließlich von sehr jungen, sehr netten Menschen am Laufen gehalten. Kann ich empfehlen. Liegt günstig, ist preislich okay, hat einen eigenen Parkplatz. Könnte mir vorstellen, dass wir den Gutschein in diesem Hotel einlösen. Doch gut nun.

Nach spätem Frühstück wollen wir heute eigentlich nur auf die Burg. Dazu nutzen wir erstmals den ÖPNV. 40 Minuten kosten den Erwachsenen umgerechnet ungefähr 1,60€, Kinder zahlen nix. Wir sollen zuerst in einen Bus, der sehr klein ist. Direkt nach dem Setzen werden wir von einem Fahrkartenkontrolleur angesprochen. Wie sich herausstellt, befinden sich in dem engen Bus zwei Kontrolleure und zwölf Fahrgäste. Aber egal, ich hatte zwei Karten in der App. Irgendwo geht es dann mit Straßenbahn weiter und wir steigen vor dem Tor der Burg aus. Dort ist gerade Wachablösung und es hat sich eine Menschentraube gesammelt, die das filmt. Da war ich dabei.
Als das überstanden war, bahnen wir uns den Weg durch Schulklassen aus aller Herren Länder und andere Menschentrauben mit schlechtem Gefühl für Zeit und Raum. Wir erfahren, dass unsere Prague-Card nicht für die Eintrittskarte gilt, die wir uns heute kaufen wollen, aber 35,-€ für die Familie sind trotzdem ein fairer Tarif. Zuerst zieht es uns in den Veitsdom, dass imposanteste Gebäude im größten geschlossenen Burgkomplex der Welt. Prachtvoll ausgestattet ist auch er ein gutes Beispiel dafür, dass das beste Kunsthandwerk auch in vergangenen Epochen immer dort zu finden war, wo das Geld steckte… also in Palästen und Kirchenbauten.
Ich kann das durchaus beeindruckend finden, obgleich ich keinem Glauben anhänge. Heute fing ich jedoch recht schnell an, langsam genervt zu sein. Im Mittelschiff wurde gebaut und so schlängelte sich eine ständig stockende Menschenschlange von Eingang zu Ausgang um das Mittelschiff herum. Stehenbleiben, innehalten oder gar die Ruhe der Kirche genießen, war hier keine Option.
Als wir vom Sog der Massen vorangeschoben hinten am Ausgang wieder rausfielen, hatte ich eigentlich schon keine Lust mehr. Das wiederholte sich dann in ähnlicher Form in der Basilika aus dem 10.Jahrhundert. Zu Beginn des Goldenen Gäßchens gingen wir dann in eine Ausstellung von Ritterrüstungen. Dort spürte ich dann irgendwann Hitze in mir aufsteigen und musste irgendwann raus. Die Prager Burg ist für alle, die gerne in winzigen Trippelschritten durch zu enge und niedrige Gänge halb Europa hinterherlaufen jedenfalls ein perfekter Ort. Für mich ist sowas jedoch Folter. Ich wollte eigentlich nur noch draußen und dann auch nur noch an Orten sein, in denen ich Platz hatte. Die goldene Gasse ist dafür nur bedingt geeignet, aber als Gebäudeensemble wenigstens einigermaßen possierlich. In der Nummer 22 wohnte kurz mal Kafka.
Meiner Familie war nun nach Pause zumute, weswegen sie eines der vielen Cafes ansteuerten. Ich steuerte in der Zwischenzeit den Aussichtsturm des Veitsdoms an und fand Königspalast und Vorplatz. Dort war Platz und dort sah man die schönere Seite des Doms.
Der Aufstieg zur Aussichtplattform kostete mich weitere 8,-€ und eine mittelschwere Übersäuerung der Wadenmuskulatur. Ich glaube, so viele Treppenstufen mit ungünstigem Schrittmaß bin ich noch nie hochgelaufen. Oben hatte ich einen Drehwurm und leichten Kreislauf. Hier kommt jetzt die Stelle, wo ich schreibe, dass die Aussicht dafür aber allemal entschädigt hat… und das hat sie wirklich. Prag ist auch von oben schön.





















Im Anschluss holte ich meine Familie aus dem Cafe und zeigte ihnen den Palastvorplatz. In den Palast wollten wir eigentlich auch rein, aber aufgrund umfangreicher Baumaßnahmen konnten wir nur so eine Art riesigen gotischen Vladislavsaal besichtigen. Schade, aber eigentlich auch nicht schlimm. Die Töchter wurden langsam ningeliger als ich. So machten wir uns langsam auf den Weg ins Tal, ließen noch etwas Geld bei einem Imbiss und setzten uns in eine kleine Parkanlage.
Dort entschlossen wir uns dazu, mit der Straßenbahnlinie 22 eine kleine Stadtrundfahrt zu machen. Das hatte das Internet empfohlen, da diese Linie wohl an den meisten Sehenswürdigkeiten der Stadt vorbei kommt. Wir fuhren also los und fingen nach zehn Minuten an, uns zu wundern, wie wenig Sehenswürdigkeiten man dann doch sieht. Nach fünfzehn bis zwanzig Minuten fing uns an zu dämmern, dass wir vermutlich in die falsche Richtung gefahren sind. Auch nach dreißig Minuten gingen wir immer noch davon aus, dass das ja eine Ringbahn sein müsse und sie irgendwann schon wieder in die Innenstadt fahren würde. Wir blieben stur sitzen. Die Outskirts von Prag wurden immer grauer und je weiter wir vom Zentrum wegfuhren, umso weniger Anzüge und Kleidchen trugen die Mitfahrer im Schnitt und umso mehr Härte und gelebtes Leben war in den Gesichtern. In den öffentlichen Verkehrsmitteln lernt man die Menschen einer Stadt am besten kennen. Uns half das aber alles nicht weiter. Wir kamen irgendwann an der Endstation an, wurden vom Zugführer gebeten, auszusteigen und stiegen in eine neue Bahn, die in die Gegenrichtung fuhr. Nach Sightseeing war aber nicht mehr zumute, als kürzten wir das mit einem Umstieg ab und fuhren direkt vor unser Hotel.
Insgesamt lief das alles eher durchwachsen heute.
Das konnte dann nur der Abend retten und das tat er auch. Wir suchten via Google ein koreanisches Restaurant aus, das ein echter Glücksgriff war. Im Gastraum saß ein hoher Anteil Gäste mit asiatischen Gesichtern und seit London wissen wir, dass das immer ein gutes Zeichen ist. Der Service war erstklassig und das Essen hat unserem kontinental-kulinarischen Begriff „asiatisch“ nochmal eine völlig neue Nuance hinzugefügt. Das war gut. Im Anschluss wollten wir uns würdig von der Innenstadt verabschieden und bummelten dort noch ein bißchen lang. Abends verändert sich Prag und man trifft fast nur noch Leute, die auf Unterhaltung aus sind. Lisbeth fand in einem Souvenirshop eine kastenförmige Katze, die mit Hilfe von Meta AI „Oreo“ tauften.
Es gab schicke angestrahlte Gebäude, Straßenmusik und auf einem großen Platz auch eine Tänzerin. Wir alberten mit den Töchtern rum, ließen uns Zeit und hatten am Ende den Touristenoverkill vom Vormittag schon fast wieder vergessen. So konnten wir den Kurztrip enden lassen.






Eine gut durchschlafene Nacht und ein gutes Frühstück später waren wir bereit für den Heimweg. Der lief, abgesehen von einem halbstündigen Stau an der Grenze, ereignislos ab. Am Wegesrand fielen links und rechts die Blätter. Als Fazit bleibt, dass wir Prag mögen und sicher mal wiederkommen. Weniger wegen der touristischen Ziele, aber gerne, wegen dem Flair der Stadt. Es werden sich problemlos interessante Ziele finden lassen, die einen nicht ganz so überfordern.
Immerhin. So einen pseudo-Wasserschaden mit Umzug für eine Nacht hatte ich auch mal. (in New York) Nur dass mein Ersatzzimmer eine ziemliche Grotte war, und die Leute zwar nett waren, aber sonst eher wenig an Wiedergutmacherleistung leisteten.
Wie wir bei der Abreise erfuhren, läuft in Prag gerade ein Hotelwettbewerb in die Endphase. Ob uns das in die Karten spielte, weiß ich nicht. Mir schienen die Leute dort zu alten Gästen gleich (und ziemlich unaufgesetzt) nett zu sein.